Der schwedische Filmemacher und Journalist Fredrik Gertten aus Malmö, zeigt in seinem neusten Film: “Bikes vs Cars“, wie die Autoindustrie in weiten Teilen der Welt das Sagen hat. Und somit Velofahrer oft und bewusst aus dem Verkehr verdrängt werden. Es gibt aber auch positive Beispiele von Städten, wo die Mehrheit der Bewohner mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Details über seinen neusten Film verrät uns Fredrik Gertten im exklusiven Interview.
FfdE: Herr Gertten, Ihr Film ,,Bananas” hat Ihnen eine Klage der Dole Food Company eingebracht. Den Prozess haben Sie gewonnen. Wollen Sie mit „Bikes vs Cars“ nun den nächsten Goliath, die Automobil-Industrie, herausfordern?
Fredrik Gertten: Es ist nicht so einfach sie herauszufordern. Die Bananen-Industrie besteht aus vier grossen Firmen. Die Automobilindustrie ist so viel grösser und betrifft mehr Länder. Aber ich glaube nicht, dass mich jemand wegen des Films verklagen wird. Das würde ihnen schlechte Publicity einbringen, daher bin ich nicht wirklich besorgt darüber. Ich finde es nur wichtig, dass wir über die Menschen und Firmen sprechen, die Einfluss auf die Städtebauplanungen und damit auf unser Leben haben.
FfdE: Millionen Menschen stecken Tag für Tag im Stau. Was glauben Sie, warum ist es für viele so schwer, auf ihr Auto zu verzichten?
Fredrik Gertten: Ich glaube nicht, dass die Menschen dumm sind. Dumm ist die Art und Weise, wie Städtebauplanung funktioniert. Diese Planungen machen die Menschen abhängiger von ihrem Auto. Früher erledigte man seine Einkäufe im Ort. Wenn aber einer kommt und einen grossen Supermarkt ausserhalb der Stadt baut und dazu kostenlose Parkplätze anbietet, dann verändert es die vorhandene Struktur. Es geht darum, solche riesigen Supermärkte gar nicht mehr bauen zu lassen
FfdE: In diesem Punkt unterscheiden sich einige europäischen Grossstädte zu Sao Paulo und Los Angeles…
Fredrik Gertten: Los Angeles hatte einst das beste öffentliche Transportnetz der Welt. Innerhalb von etwa 30 Jahren hat sich das zum Schlechten gewandelt. Man kann daran deutlich die Interessen der grossen Unternehmen ablesen, die das bewirkt haben. Die Auto-Lobby hat die Städtebauplanung übernommen und das hat einen bedeutenden Einfluss auf das Leben der Menschen genommen. Ein Beispiel: Während man früher entscheiden konnte, ob man zu Fuss oder mit dem Fahrrad fahren möchte, hat man heute oft keine Wahl. Man nimmt das Auto und muss die Schnellstrasse benutzen und einen grossen Bogen um die Nachbarschaft fahren, weil Strassen nicht miteinander verbunden sind. Dieser Zustand hat viel im Bereich des Städtebaus verändert und ich denke, dass wir das Rad zurück drehen müssen, weil einfach jeder im Stau feststeckt.
FfdE: Etwa eine Milliarde Autos gibt es zurzeit auf der Welt. Sie prophezeien in Ihrem Film, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2020 verdoppelt. Welche Auswirkungen würde diese Prognose auf unsere Umwelt haben?
Fredrik Gertten: Diese Vorhersage stammt von IBM. Alle Fakten aus dem Film sind auf der Website www.bikes-vs-cars.com mit Quellenverweis hinterlegt. Was ich persönlich denke ist, dass wir derzeit drei globale Krisen haben. Wir haben zum einen eine Klimakrise, die Ausschöpfung unserer globalen Ressourcen und zum anderen die Städte, die mehr und mehr mit Verkehrsstaus zu kämpfen haben – und es wird immer mehr. Man schaue nach Süd Amerika, Afrika, Asien und Osteuropa – besorgniserregend. Aber auch in anderen Teilen Europas steigt die Zahl der Autoverkäufe immer weiter an. Meine Befürchtung ist, dass diese Entwicklung unglückliche Menschen hervorbringt. Die Menschen sind einfach nicht wirklich glücklich, wenn sie im Stau stehen müssen.
FfdE: Wo wir gerade beim Thema Zukunft sind. Welche Schlagzeile würden Sie im Jahr 2020 gerne in der Zeitung lesen?
Fredrik Gertten: Ich würde gerne etwas lesen wie „Die Klima-Krise ist vorbei“. Dass die Menschen im Jahr 2016 damit begonnen haben, verantwortungsbewusst zu leben und die positiven Auswirkungen nun zu sehen sind.
FfdE: Sie haben zwei Jahre an der Dokumentation „Bikes vs Cars“ gearbeitet. Wie hat sich in dieser Zeit Ihr persönliches Verhältnis zum Auto verändert?
Fredrik Gertten: Ich habe nichts gegen das Autofahren. Neulich war ich in Albanien, wo mein Film gezeigt wurde und bin dort mit dem Bürgermeister durch Tirana geradelt. Später habe ich mir auch ein Auto gemietet, um in die Berge zu fahren. Für solche Zwecke ist ein Auto grossartig, aber in der Stadt sind Autos einfach schrecklich. Ich selbst habe kein Auto. Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad und das schon mein Leben lang – selbst im Winter. Das Fahrrad ist ein grossartiges Fortbewegungsmittel, um Städte zu erkunden, darum fahre ich damit so oft es geht. Aber ich trage dabei nicht diese lustigen Fahrradhosen wie die Sportler, ich nutze es zum Pendeln und mich fortzubewegen.
FfdE: Mit der Bikes vs Cars App kann man seinen eigenen Klima-Effekt analysieren. Wie kam die Idee zu der App auf? Wie funktioniert sie?
Fredrik Gertten: Mit so einem Film löst man eine Debatte aus. Der Film wurde inzwischen fast in 600 Städten auf der Welt gezeigt und überall wo ich war, sprach ich mit den Menschen und es lief immer auf die Situation in der eigenen Stadt hinaus. Wir wollten eine App kreieren, damit die Menschen sich weiter mit dem Thema befassen. Die App erfasst verschiedene Daten und man kann die Daten mit seinen Freunden teilen. Man analysiert dabei seinen eigenen Klima-Effekt. Wir haben hier in Malmö ein interessantes Projekt. Einige grosse Technikunternehmen beschäftigen Flüchtlinge, die eine technische Ausbildung haben. Sie haben die App innerhalb von acht Wochen entwickelt. Das Schöne ist, dass danach fast alle einen Job in dem Unternehmen bekommen haben. Die App
wird also immer weiterentwickelt. Die meisten Funktionen gibt es bislang für Android-Handys, aber auch auf iOs wird die App mit allen Funktionen bald verfügbar sein.
FfdE: Sie sagten einmal, dass dieses Filmprojekt eine Herzensangelegenheit für Sie ist. Welche Botschaft wollen Sie mit ihrem Film verbreiten?
Fredrik Gertten: Der Film soll eine persönliche Reise sein, die einem zu verstehen geben soll, warum Städte so aussehen wie sie aussehen. Wenn man in einer Stadt etwas verändern will, muss man die Hintergründe kennen und verstehen. Selbst Menschen, die schon lange in ihrer Stadt leben, sollen nach dem Film einen neuen Blickwinkel auf verschiedene Dinge entwickeln. Der Film soll auch inspirieren und den Menschen zu verstehen geben, dass sie etwas bewirken können. Wenn es nämlich um das Thema Klima geht, fühlen sich viele hilflos, dabei können sie durchaus einen Unterschied bewirken, wenn sie das verdammte Auto stehen lassen auf aufs Fahrrad steigen. Das ist cool, das macht Spass, und man lernt neue Menschen kennen – ich sehe, wie diese Dinge überall auf der Welt passieren.
FfdE: Was geben Sie unseren Festival-Besuchern mit auf den Weg?
Fredrik Gertten: Heutzutage sind Menschen zum Pessimismus geneigt. Wir müssen entscheiden, ob das Glas halb leer oder halb voll ist. Die Tatsache, dass „Filme für die Erde“ so viele Menschen zusammen bringt, ist sehr inspirierend und es zeigt, dass viele gute Menschen da draussen sind. Sie kommen zum Festival und wollen ein Teil des Wechsels, der besseren Welt, sein. Für mich persönlich ist das sehr inspirierend. Die Leuten sollten versuchen optimistisch zu sein, weil es dann leichter ist etwas zu verändern. Es ist sehr schwierig, wenn man zynisch und hart ist –also: bleibt optimistisch!
Wir bedanken uns herzlich bei Fredrik Gertten für das spannende Interview!
Wir freuen uns sehr, den Film am 23. September 2016 in 17 Städten um 18 Uhr am Filme für die Erde Festival zu zeigen. Eintritt ist gratis und neben der Filmvorführung warten auch interessante Ausstellungen und limitierte gratis DVDs zum Weitergeben auch euch!
Diesen Film auf keinen Fall verpassen – finde jetzt heraus, wo das Festival in deiner Nähe stattfindet >>> www.FILMEfürdieERDE.org/festival
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