Wir danken ganz herzlich für diesen Gastbeitrag von Helga Fitzner, freie Journalistin aus Deutschland.
“Was soll man noch machen, wenn eigentlich schon alles recherchiert, erklärt und gefordert ist, sich aber kaum etwas ändert oder die Prozesse viel zu lange dauern?
Eine ökologische Agrarwende ist unabdingbar und es gibt zahllose Projekte, Initiativen, Berichte, die darauf aufmerksam machen, bis hin zu einer relativ neuen Filmgattung, der Öku-Dokumentation. „Die Wiese – Das Paradies nebenan“ hat zwar Elemente einer solchen Öku-Doku, ist aber in erster Linie ein formvollendeter Naturfilm. Dessen Regisseur und Kameramann Jan Haft gehört zu den renommiertesten Naturfilmern Deutschlands und hat schon viele Produktionen auf den Weg gebracht. Seine Kinofilme „Das grüne Wunder – unser Wald“ (2013) und „Magie der Moore“ (2016) liefen erfolgreich auf der großen Leinwand, und es gibt sogar schon Fernsehdokumentationen über den Filmemacher selbst.
Hafts Können und Erfahrung machte sich nun Prof. Dr. Fritz Vahrenholt von der Deutschen Wildtierstiftung zunutze, der die Entstehung der Dokumentation finanziell ermöglichte: „Dieser Film ist ein Notruf zur Rettung der artenreichen Wiesen“, erklärt Vahrenholt, aber der Ansatz ist ein anderer. Statt „Alarmismus“ zeigt er die wunderbare Artenvielfalt der Wiesen in atemberaubenden Bildern.
Jan Haft und seine Mitstreiter*innen haben dazu an 300 Drehtagen rund 1000 Stunden im Tarnversteck zugebracht und es dauerte ein Jahr, bis sie aus den 250 Stunden Rohmaterial den Film fertigstellten. Mit Makro-, Schnorchel- und Endoskopobjektiven und Spezialkameras fängt er das Leben und Überleben insbesondere der kleinen Lebewesen ein. Statt auf Vorwürfe wird hier absichtlich auf „Verführung“ gesetzt. Gerade der Lebensraum der Insekten findet oft im Verborgenen statt. Die hat Haft nun bildfüllend in den Mittelpunkt gerückt. Ursprünglich wurden die Wiesen zur Futtermittelgewinnung für das Vieh angelegt, aber sie bilden den Lebensraum für zahlreiche Pflanzen, Insekten und Bodenbrüter unter den Vögeln, an deren Treiben die Zuschauer teilnehmen können. Die Feldlerche brütet am Wiesenboden, landet aber immer vom Nest entfernt, um den Standort nicht preiszugeben. Die Küken sind wahre Meister im Verstecken, nur wenn es Futter gibt, sind ihre Schnäbel weit aufgerissen.
Hafts Lieblingsinsekt ist die Wanstschrecke. Die hat er lange suchen müssen, weil sie aufgrund der Trockenheit immer seltener wird. Es gibt eine große Vielfalt an Heuschrecken und Zikaden, die im Sommer ganze Konzerte zirpen. Unfreiwillig komisch ist eine Krabbenspinne, die auf einer Blume sitzt und vorbeikommende Käfer herunter schubst. Sie wartet geduldig auf eine ungepanzerte Mahlzeit. Viele Schmetterlinge, Wildbienen, Pilze und wundervolle Zeitrafferaufnahmen von Blumen runden das Bild ab.
Der erzählerische Strang des Films sind eine Ricke und ihre zwei Rehkitze, deren Geburt zu sehen ist. Das umsichtige Muttertier schafft es, alle beide durch ihr erstes Lebensjahr zu manövrieren. Der Film ist auch für Kinder geeignet und macht sanft auf die Problematik aufmerksam, mit der sie früher oder später konfrontiert werden, wenn nichts geschieht. Es würde schon helfen, wenn die Bauern erst im Juni mähen würden, damit die Rehkitze und Küken schon alt genug sind, den Maschinen ausweichen zu können.
Haft macht auf die Gefahren der Düngung durch Gülle aufmerksam, die vor allem die Pilzgeflechte unterhalb der Oberfläche zerstört und damit alles, was von ihnen abhängt. Er bringt uns die Magie der Wiesen näher und führt uns dadurch eindrücklich vor Augen, was wir verlieren würden, wenn wir den Artenschutz vernachlässigen. Am Ende hängt auch unsere Ernährung von den bestäubenden Insekten ab, deren Zahl schon in ernstem Ausmaß zurückgegangen ist.”

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