Herzlichen Dank für den Gastbeitrag von Helga Fitzner!

Gemeinschaft macht überlebensfähig

Wer das Buch „Das geheime Leben der Bäume“ von Peter Wohlleben mochte, wird den gleichnamigen Film lieben. Der deutsche Dokumentarfilmer Jörg Adolph („Elternschule“ 2018) folgt dem Buchautor Wohlleben mit der Kamera bei Führungen durch Wälder und bei Vorträgen in etlichen Ländern. Der Film geht damit relativ weit über das Buch hinaus, das 2015 erschien und damit ein Update erfährt. Wohlleben spricht den Kommentar selbst, der auch Buchzitate enthält, doch die wahre Attraktion sind die im Buch beschriebenen Prozesse im Wald, die mit  atemberaubenden Natur- und Zeitrafferaufnahmen zum Leben erweckt wurden. Der vielfach ausgezeichnete Naturfilmer Jan Haft („Das grüne Wunder“ 2013, „Die Wiese“ 2018) hat die schwierig zu filmenden Naturphänomene in eindrücklicher Weise illustriert. Zusammen mit dem Kameramann und Lichtgestalter Daniel Schönauer sowie den Lichtkünstlern Friedrich von Schoor und Tarek Mawad hat das Team ein respektables Kinoerlebnis erschaffen.

Da der Forstwirt und Naturschützer Wohlleben trotz seiner Bekanntheit und häufigen Medienpräsenz gar nicht gerne im Vordergrund steht, lässt er sich gelassen von Bäumen, Insekten und Pilzen die Schau stehlen. Da diese aber nicht für sich selbst sprechen können, erfüllt er diese Aufgabe mit großem Enthusiasmus. Der Naturwald ist ein magisches Universum für sich, die Bäume interagieren miteinander, schützen, warnen und nähren einander. Die Kommunikation läuft über ein weitverzweigtes System an unterirdischen Pilzen, für die der Begriff „wood-wide-web“ erfunden wurde. Wohlleben erklärt: Es lässt sich wissenschaftlich mittlerweile nachweisen, dass Bäume, die gut kooperieren, besonders alt werden, dass es besonders stabile Ökosysteme sind. Das sehen wir gerade jetzt, nach diesen trocken-heißen Sommern: In den alten Reservaten, in denen das System intakt ist, hat der Wald keinen Schaden genommen. Die Bäume kühlen sich gemeinsam herunter, unterstützen schwache Exemplare, dass sie nicht absterben. Die Gemeinschaft ist viel überlebensfähiger als die einzelnen Glieder. In Zeiten wie den unseren ist das eine höchst politische Erkenntnis“.

Wohlleben wird beim Besuch von Naturschutzgruppen in Polen gezeigt und er unterstützt Indigene auf Vancouver Island in Kanada. Die Abholzung von deren Naturwald wird sich wohl nicht mehr verhindern lassen und Wohlleben zeigt auf, wie das am verträglichsten geschehen kann. Man soll z. B. die jungen Bäume einfach stehen lassen, weil sich dann der Wald am schnellsten regenerieren kann. Wohllebens Einsatz für den Wald hat auch eine politische Komponente und er unterstützt die Beschützer*innen des Hambacher Forsts.

Es ist für ihn gar nicht so einfach, mit tief sitzenden Fehleinschätzungen aufzuräumen. Er sagt, dass Mischwälder aus Laub- und Nadelbäumen hier unnatürlich sind, denn in unseren Breitengraden kommen Nadelbäume von Natur aus nur in wenigen Höhenlagen vor und meistens handelt es sich heute um keine Wälder, sondern um Plantagen. Solche willkürlich und oft symmetrisch angepflanzten Bäume sind nicht in der Lage, Symbiosen einzugehen wie die in naturbelassenen Wäldern. Wir müssen zu diesen Urwäldern zurückkehren und wenn es dem Wald gut geht, dann geht es auch den Menschen gut, erklärt Wohlleben.

Auch vom Aufforsten rät er ab: Er demonstriert das anhand einer durch Baumfällung entstandenen Lichtung. Es befinden sich bereits 11 verschiedene Baumsprösslinge dort, denen man nur die Chance geben muss, zu wachsen. Die kann man im Film deutlich sehen. Wohlleben weiß, dass die Wälder ein großes Potential haben, sich selbst zu regenerieren, dazu muss man sie nur sich selbst überlassen, weil die Natur das allein viel besser kann – sofern man sie lässt. Umgefallene Mutterbäume sind ein reichhaltiges Reservoir für viele Lebensformen, aus denen sich der Wald aufbaut und erneuert. Ein Teelöffel Walderde enthält Milliarden von Organismen, die sich selbst organisieren können: „Ich mache mir keine Sorgen um die Natur. Die wird sich immer wieder regenerieren. Es wäre nur schön, wenn wir dann noch da sind“, meint Wohlleben.

Dem Dokumentarfilmer Jörg Adolph ist ein faszinierender Film gelungen, der zum einen das gleichnamige Sachbuch bebildert, zusätzlich ein Porträt des Autors liefert und durch die Naturaufnahmen ein cineastischer Augenschmaus ist. Darüber hinaus ist der Film ein liebevoller Appell an mehr Gemeinschaft, für Bäume wie für die Menschen.

Text: Helga Fitzner

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